Mittwoch, 29. April 2009

Oranje brillant



Rezension

David Winner
Oranje brillant
Das neurotische Genie des holländischen Fußballs
Aktual. u. erweit. Ausg.,
Köln 2008 (Kiepenheuer & Witsch)
363 S.




Christoph Biermann schreibt im Vorwort, das zuerst 2000 als Brilliant Orange auf englisch erschienene Buch "liefert eine neue Lesart des Spiels. Fußball wird hier ganz selbstverständlich und überzeugend als Ausdruck von Kultur behandelt, wie man das sonst mit Filmen, Musik oder Literatur tut."

In der Tat ist dies nicht nur eine Abhandlung über den Fußball, sondern geradezu eine Einführung in holländische Kultur. Winner definiert seinen eigenen Zugang so: "Wenn dies ein Buch über den holländischen Fußball sein soll, werden Sie sich irgendwann fragen, wieso es seitenlange Abhandlungen über Kunst, Architekten, Kühe, Kanäle, Kirchenmaler, Rabbis und Flughäfen, jedoch kaum eine Zeile über zum Beispiel den PSV Eindhoven oder Feyenoord Rotterdam enthält. Ein überaus berechtigter Einwand. Das liegt vermutlich daran, dass dies weniger ein Buch über den holländischen Fußball als vielmehr ein Buch über die Idee des holländischen Fußballs ist, was ein feiner Unterschied ist. Mehr noch, es ist ein Buch über meine Idee von der Idee des holländischen Fußballs, was noch einmal etwas ganz anderes ist." Als fußballerische Idealtypen findet sich hier so viel über Ajax Amsterdam, v.a. die großen Mannschaften Anfang der 1970er und Anfang der 1990er, sowie über die wechselhafte Geschichte der Nationalmannschaft.

Er verbindet etwa den gesellschaftlichen Aufbruch aus der Nachkriegszeit in den 1960ern, plakativ in den "weiß gekleideten Provos, die archetypischen Amsterdamer Anarchisten der 1960er, die surrealistische antiautoritäre Streiche mit einem leicht spinnerten Technik-Optimismus verbanden" mit dem Aufstieg der großen, alles in Grund und Boden spielenden Ajax-Mannschaft Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre um Johan Cruyff, Johan Neeskens etc.
Winner zitiert Karel Gabler mit den Worten "Cruyff war für uns ein Idol vielleicht so wie in England John Lennon. Er redete mit einer Logik, die jene unserer ganzen Generation war." Er personifizierte gesellschaftlichen und fußballerischen Um- und Aufbruch: "Als ein Spiel der Nationalmannschaft noch als reine Ehre galt, bestand Cruyff auf Bezahlung. Als er erfuhr, dass die Offiziellen des KNVB auf Auslandsreisen versichert waren, die Spieler jedoch nicht, verlangte - und erzwang - er eine Änderung. [...] Gabler meint: 'Cruyff geriet in alle möglichen Konflikte, weil er anfing, die Fragen zu stellen, die sich seine ganze Generation ebenfalls stellte: Warum sind die Dinge so geregelt, wie sie geregelt sind?'"

Winner setzt den totaalvoetbal, den Positionen rotierenden und aggressiv angreifenden Fußball von Ajax und dem Nationalteam Anfang der 70er Jahre in Beziehung mit zeitgenössischer kultureller Entwicklung: "Während sich in den 1960ern unter Michels' revolutionärer Ägide bei Ajax der Total Football herausbildete, entwickelten holländische Designer und Architekten ihre eigenen Ideen von Totalität. Wim Crouwel gründete sein Total-Design-Studio. Etwa zur selben Zeit rebellierten Hollands berühmteste und originellste Architekten, die so genannten Strukturalisten, mit offenen, effizienten, unhierarchischen, flexiblen und ästhetisch verspielten Bauten gegen die tristen Konzepte des Funktionalismus und Modernismus." Die Ajax-Mannschaft der frühen 90er Jahre unter van Gaal vergleicht Winner wiederum mit dem effizienten architektonischen Konzept des Flughafen Schiphol.

Die Niederlage im Finale der WM 1974 war für Winner ganz klar Resultat keinerlei Verschwörung, sondern lag an der Hybris des besten Teams der Welt. Doch: "Das Wissen, dass die holländische Niederlage in München eher ein Akt versehentlicher Selbstzerstörung als ein Mord war, macht den Verlust nicht kleiner. Es macht die Geschichte vielmehr noch ergreifender. Die Selbstdestruktion von Genie und Schönheit strahlt immer eine besondere Faszination aus: Man denke an Jim Morrison, Marilyn Monroe, Kurt Cobain oder Rainer Werner Fassbinder. Und auch wenn Fußball uns Interessantes über Politik, Geschichte und Kultur erzählen kann, ist er ungleich wirkungsmächtiger als ein rein narratives Ritual. Auf dieser Ebene haben die Holländer sich in den Rang großer Helden der Weltliteratur wie Achilles, Othello, König Lear und Ödipus eingereiht, die durch die Last ihres Talents und einen einzigen tödlichen Makel zu Fall gebracht wurden."

Der fußballerische Erfolg brachte dem global relativ kleinen Land einen großen internationalen Namen und wurde zum Teil der nationalen Identität der traditionell stark kulturell (religiös, politisch) segmentierten Gesellschaft. Ein Vergleich der TV-Einschaltquoten zeigt, daß in den Niederlanden zwei Drittel der Leute wichtige Länderspiele schauen, während dies im ja nicht gerade fußballabstinenten England fünfzig Prozent tun. "Während großer Turniere ist es mittlerweile auch für patriotische Engländer Mode geworden, Häuser und Autos mit St.-Georgs-Fahnen zu schmücken. Aber dieser Ausdruck von Fußballnationalismus wirkt mickrig verglichen mit der flächendeckenden Orange-Färbung Hollands."
Dies kann aber auch ins Negative umschlagen. So verweist Winner auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Aufstieg des Rechtspopulisten Pim Fortuyn, der das zuvor so stabil scheinende politische System der Niederlande in Rekordzeit aufrollte, und dem traumatischen Scheitern der Nationalmannschaft in der Qualifikation für die WM 2002. Die britische Botschafter Colin Budd berichtete damals über die plötzlich herrschende Krisenstimmung nach London: "[Die Holländer] glaubten, in einem Land zu leben, in dem alles funktionierte, und verschlossen bei florierender Wirtschaft auch vor offensichtlichen Fehlentwicklungen die Augen. 2001 machten sie sich dann jedoch plötzlich Sorgen: Über die Mängel in Schienenverkehr, Schulen und Krankenhäusern, den gescheiterten Versuch, die Zahl der Anspruchsberechtigten für eine Invaliditätsrente zu beschneiden, die Maul- und Klauenseuche, die wachsende öffentliche Unordnung, das Verhalten der Einwanderer und - nicht zuletzt - das Scheitern der Fußballnationalmannschaft in der WM-Qualifikation."

Montag, 27. April 2009

Rapid - Austria 3:2 (1:1)

Bundesliga, 31. Runde, 26.4.2009
Gerhard Hanappi Stadion, 17.500

Gewonnen! Tatsächlich unvermuteter Derbysieg. Und dazu ein leiwandes Match.
In der ersten Halbzeit das erwartet enge Spiel. Dann waren wir klar besser - trotz schlechten Tags der Verteidigung, die Gegentore waren zu leicht. Payer bei den wichtigen Bällen wieder sehr gut, das muß man sagen. Aber was auch Sáfár alles gehalten hat, war echt zum verzweifeln.
Alles was zählt: Die Nummer 1 in Wien sind wir.









































ASC Marathon Korneuburg - SC Mannsdorf 1:3 (0:1)

Niederösterreich, Gebietsliga Nord/Nordwest, 20. Runde, 24.4.2009
Rattenfängerstadion Korneuburg, 170

Korneuburg verliert verdient im Rattenfängerstadion. Der Name allein war den Abend hier wert. Aber auch mit 70 Cent für einen kleinen Gspritzten läßt es sich hier sehr gut aushalten. Das Spiel auf nicht sehr englischem Rasen war kämpferisch geprägt.
Das Stadion heißt so aufgrund der Lokalsage um einen hiesigen Rattenfänger 1646 (Flöte, Ratten, Kinder...). Dazu gibt es auch einen Rattenfängerbrunnen vor dem Rathaus.



















Mittwoch, 22. April 2009

The Other Final


Rezension

The Other Final
Niederlande 2003
Regie: Johan Kramer
u.a. mit Dinesh Chhetri, Ottley Laborde, Mathijs de Jongh
DVD: 11 Freunde Edition Nr.8





Ein sehr netter Film, der die Geschichte eines "anderen Finales" am Tag des WM-Finales 2002 erzählt, zwischen dem damals Vorletzten und dem Letzten der FIFA-Weltrangliste, dem Himalaya-Königreich Bhutan und der Karibikinsel Monserrat.
Die Niederlande haben sich für die WM 2002 nicht qualifiziert, woraufhin Regisseur Johan Kramer und Matthijs de Jongh, der als Organisator fungiert, das Projekt dieses Spiels starteten.

In unglaublicher Farbenpracht der Bilder (die haben was mit den Kontrasten gemacht, meint die Expertin) erfahren wir über die Vorbereitungen der Teams, ihre Probleme (in Monserrat zerstörte ein Vulkanausbruch die Insel) und mangelnde Infrastruktur (im gebirgigen Bhutan ist es schwer und teuer, für eine verhältnismäßige große ebene Fläche für einen Fußballplatz zu sorgen), aber vor allem ihre ungebrochene, ansteckende Freude am Fußball.
Höhepunkt ist dann natürlich das Match selbst in der Gebirgskulisse Bhutans - es geht eindeutig aus, aber das ist nicht das Wichtigste. Die Freude am Spiel ist das Zentrale.

Aktuell ist Monserrat weiterhin Letzter der FIFA-Rangliste (ex aequo mit anderen) und Bhutan immerhin 189.

Montag, 20. April 2009

Gersthof - Rennweg 1:5 (1:1)

Wiener Liga, 22. Runde, 19.4.2009
Post III Gersthof, 150

Was macht man, wenn man in der Früh von der Weltreise hinter den Arlberg zurückkommt? Genau: 10:15 Uhr, Matinée in der Stadtliga.
Die Gersthofer Sportvereinigung unterliegt gegen den Rennweger SV verdient. Am Schluß sind's ein bisserl eingebrochen, so ist das hohe Ergebnis zustande gekommen. Der Platzsprecher kommentierte das nach Schlußpfiff sehr trocken mit den Worten "Bitte sehen Sie es positiv, das Wetter war herrlich."
Der Gersthofer SV wurde nach Uwe Mauch 1912 im Cottage-Viertel gegründet und spielt seit mehr als 50 Jahren hier am höchst gelegenen Platz des Post-Sportzentrums, der früher einmal ASKÖ-17-Platz hieß.

















Altach - Rapid 1:1 (0:1)

Bundesliga, 30. Runde, 18.4.2009
Stadion Schnabelholz, 8.100

Ein Punkt, aber es hat sich wie eine Niederlage angefühlt. Wir hatten unsere Chancen, aber was Payer allein alles gehalten hat und wie wir am Schluß geradezu an die Wand gespielt worden sind, das war schon arg. Echt grausam.
Die neue Längstribüne neben dem Auswärtssektor wurde nach meinem letzten Besuch hier, der auch schon wieder ein Jahr her ist, überdacht.
Nett ein Zwischenstop in Feldkirch.