Freitag, 24. Februar 2012

Keine Angst vorm Elfmeter


Rezension


Michael Konsel / Claus Schönhofer
Keine Angst vorm Elfmeter
Michael Konsel. Die Biografie.
Wien 2012 (Ueberreuter)
207 S.






Michi Konsel war für mich in jungen Jahren der Tormann schlechthin. Er war als Goalie schlicht beeindruckend. Daher freute es mich, ein Buch von und über ihn zu sehen.
Der Autor Claus Schönhofer hat aus Konsels Erzählungen ein nicht unbedingt tiefgründiges, aber kurzweilig zu lesendes Buch gemacht. Der Titel Biografie ist dafür aber zu hoch gegriffen. Es sind Erinnerungen.

Im Buch beschreibt Konsel, woraus er seinen sportlichen Erfolg baute. So erzählt er, wie wichtig seine ständigen Duelle mit seinem älteren Bruder in der Kindheit waren, um seinen Biß und Kampfgeist zu entwickeln oder wie ihm die vielen in seiner Jugend ausgeübten Sportarten − „Wasserskifahren, Tennis, Tischtennis, Eishockey, Paddeln und natürlich Fußball“ − später in seinem Tormannspiel halfen: „Diese vielfältigen Bewegungsabläufe habe ich alle auf meiner Festplatte gespeichert und sie sind Grundlage für die Entwicklung meines Bewegungstalents geworden. Tennis und Tischtennis haben mich das Fokussieren auf den Ball gelehrt, vom Eishockey lernte ich Wendigkeit und Schnellkraft, durch das Wasserskifahren wurde mein Balancegefühl verbessert.“
Dies ist umso höher einzuschätzen als er 1982 erst relativ spät, mit 20 Jahren, aus dem Amateurligaverein Kritzendorf zum Profiverein Vienna kam. Im Jänner 1985 kam er zu Rapid und stand bald darauf als Ersatz für den verletzten Funki Feurer in Semifinale und Finale des Europacups: „Die Beschleunigung meiner Karriere nahm schwindelerregende Dimensionen an. Von Kritzendorf zum Europacup − das war wie von null auf tausend!“ Über Feurer, den er schließlich im Lauf der nächsten Jahre aus dem Tor verdrängte und der dann zum wichtigsten Tormanntrainer seiner Karriere wurde, spricht Konsel viele ehrende und anerkennende Worte. Sehr eindrücklich schildert Konsel seine Kämpfe gegen die ihn schließlich immer stärker begleitenden Schmerzen als Resultate einer langen Profisportlerkarriere.

Einige inhaltliche Schnitzer im Buch stoßen leider ungut auf. Schönhofer hatte schon eingangs festgestellt, daß er sich „nicht (mehr) für Fußball interessiere“ und kryptisch geschrieben, es gehe ihm beim Buch über Michael Konsel stattdessen darum, „die DNA seines Denkens zu entschlüsseln“. Etwas mehr Fußball wäre allerdings nicht schlecht gewesen. So weiß der Kenner natürlich, wer denn diese Toffees waren, gegen die Rapid 1985 im Europacupfinale stand. Doch einen Finalbericht zu bringen ohne den Namen des siegreichen Gegners, des Everton FC, zu nennen, ist schon sehr seltsam. Noch eines drauf setzte dabei nur Peter Linden, der im Buch anstelle einer Fußballautorität als Kommentator aus dem Off eingesetzt wird und bei dem hier die damaligen Everton-Spieler Gray und Sharp gar „Liverpool-Stürmer“ sind.
Ärgerlich ist es auch, wenn es zum Auftakt des Kapitels über die magische Europacupsaison Rapids 1995/96 heißt „Nach zehn Jahren spielte ich wieder im Europacup.“ 1996 stand Konsel nach 1985 wieder in einem Finale. Aber Europacupspiele machte er mit Rapid zwischendurch auch. Man denke auszugsweise an die Spiele gegen Club Brügge und RFC Lüttlich 1989 oder gegen Inter 1990 − alle mit Konsel im Tor. Dieser Satz ist also schlicht falsch.

Die chronologische Erzählung wird immer wieder durch Einschübe unterbrochen, in denen ein bestimmtes Thema aus dem Leben Michael Konsels behandelt wird − vom Jähzorn über Psychokriege im Kampf ums Einserleiberl bis zum Privatleben. Hervorgehoben wird dies durch etwas dünkleres Papier und andere Schriftart. Grundsätzlich eine gute Sache und spannende Themen, doch kommt der Einschub beim ersten Mal doch sehr unvermittelt und hätte eingangs angekündigt und vielleicht grafisch noch etwas stärker abgesetzt gehört.

Zum Leben Konsels nach dem Ende seiner Karriere gibt das Buch einige Aufschlüsse über den schwierigen „Pensionsschock“, aber nur wenige über seine beruflichen Aktivitäten, die ihm jüngst immerhin den Titel Kommerzialrat eingebracht haben. Dafür erfuhr ich, daß er anscheinend vor ein paar Jahren an dieser Tanzsendung im Fernsehen teilgenommen hat. Dies ist so sehr außerhalb meines Universums, daß ich dies überhaupt nicht wahrgenommen habe bzw. es mir nicht im geringsten erinnerlich ist.

Während ich Konsels Jahre bei Rapid noch gut mitbekommen habe, weiß ich wenig über seine Zeit in Italien, zwei gute Jahre bei AS Roma und ein nicht so gutes in Venedig. Hier ist daher der interessanteste Teil des Buches. Neben allerlei Privatem, das ich persönlich jetzt nicht unbedingt hätte wissen müssen, gibt es hier doch auch einiges Spannendes. So erzählt Konsel etwa, daß er zu seiner großen Enttäuschung anfangs in Rom nicht viel mehr als bei Rapid verdiente und sein Vertrag erst vier Monate später, nach guten Leistungen, aufgefettet wurde. Ebenfalls sehr spannend, wie ihm die offensive Spielweise des damaligen Roma-Trainers Zdeněk Zeman entgegenkam, weil er viel zu tun bekam, als mitspielender Tormann seine Erfahrung als Feldspieler aus Jugendzeiten einbringen und seine Klasse ausspielen konnte, und wie er sich verabschiedete als 1999 (der spätere Meistertrainer 2001) Fabio Capello übernahm, weil ihm klar war, daß sich dies nun änderte.
Wenn er erzählt, wie er ohne Italienischkenntnisse seine Mitspieler einteilte, verbreitet sich ein Schmunzeln über das Gesicht:
„He, Cafu! Weiter nach rechts! Gemma, gemma, schneller! Totti, komm nach hinten! Ja, da bleib stehen!“ Und so weiter. Natürlich hat weder der Cafu noch der Totti oder ein anderer ein Wort verstanden, aber meine Handzeichen waren eindeutig und auf der ganzen Welt gleich.

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